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Grundbegriffe der Individualpsychologie

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Anamnese
(01/2007)
Autor: Ulrike Blum-Hoberg/ Michael Hoberg
Cartoon: Rupert Klein

Die Anamnese hilft dem Berater bei der Strukturierung des Beratungsprozesses


Unter Anamnese (griech.: Erinnerung) versteht man im allgemeinen Sprachgebrauch die Erhebung der Vorgeschichte, den Krankheitsverlauf und die akute Befindlichkeit des Patienten durch den Arzt.
In Coaching und Beratung ist die möglichst genaue Bestandsaufnahme der Rahmen- und Randbedingungen des Klienten Grundlage des professionellen Arbeitens. Insbesondere im Rahmen von individualpsychologischer Beratung z.B. bei der Lebensstilanalyse, wird eine Anamnese erhoben. So hat Adler dazu schon früh einen Lebensstil-Fragebogen entwickelt, in dem sehr ausführlich die aktuellen Lebensumstände des Klienten innerhalb der drei Lebensbereiche erhoben werden. Weiterhin werden dabei Fragen zu den familiären Bedingungen und Erinnerungen des Klienten aus den ersten Jahren seiner Sozialisation, also aus der Zeit der Lebensstil-Entwicklung, gestellt sowie Fakten und Erinnerungen aus seiner Schulzeit und seiner Pubertät abgefragt.
Anhand dieser anamnestischen Erhebung kann sich der Berater schon ein erstes umfassendes Bild über den Lebensstil des Klienten und seine persönliche Problematik machen. Dabei helfen ihm auch die so genannten Goldminen, die der Klient in seinen Antworten auf die Fragen des Beraters erkennen lässt und die dem geübten Zuhörer viel über dessen Lebensstil verrät.
Um eine klare Abgrenzung zur Psychotherapie vornehmen zu können, muß der individualpsychologische Berater im Rahmen seiner anamnestischen Befragung zu Beginn der Beratung auch gesundheitliche Aspekte erfragen, insbesondere bezogen auf erlebte schwerwiegende Belastungen des Klienten, psychische Auffälligkeiten und Vorerkrankungen, auch seiner Herkunftsfamilie.

In der Regel erwartet der  Klient vom Berater/Coach die Lösung eines Problems, sei dies nun beruflicher, privater, aktueller oder langfristiger Natur. Dabei steht die aktuelle Fragestellung oder der aktuelle Anlass im Fokus der Beratung. Längerfristige Begleitung ist zum Beispiel im Rahmen eines Opportunity Coachings denkbar.
Damit ist der Berater professioneller Begleiter sozialer Veränderungsprozesse. Er erarbeitet gemeinsam mit dem Klienten individuelle Lösungsmöglichkeiten, über deren Umsetzung dieser nach eigenem freien Willen entscheidet.  

  •  Der Berater hilft dem Klienten,
  •  die Situation zu verstehen, in der er sich befindet,
  •  den Anteil zu erkennen, den der Kunde daran hat
  •  die Finalitäten zu sehen, die dem zu Grunde liegen
  •  die Chancen zu erkennen, die Verhaltensänderungen mit sich bringen
  •  den Mut aufzubringen, anders zu handeln
  •  geändertes Verhalten zu verinnerlichen   

Der Beratungsauftrag wird klar definiert und vereinbart.  Berater und Klient gehen partnerschaftlich auf Basis einer tragfähigen, vertrauensvollen Arbeitsbeziehung miteinander um. Der Berater enthält sich jeglicher manipulativer Techniken. Er erklärt seinem Klienten, auf welcher Basis er arbeitet, welche Interventionen und Methoden er verwendet und welches der zeitliche und finanzielle Aufwand sein wird.
Neben  Einzelberatung kann auch Beratung  mit Paaren oder Eltern mit Kindern durchgeführt werden. Besteht der Wunsch nach permanenter persönlicher Reflexion zum Zwecke der Weiterentwicklung, kann dies z.B. im Rahmen einer Coachinggruppe erfolgen.

Abgrenzung: Beratung, Coaching, Therapie
(01/2007)
Autor: Ulrike Blum-Hoberg/ Michael Hoberg
Cartoon: Rupert Klein

Beratung, Coaching oder Therapie ist kein Qualitätszeichen




Im täglichen Sprachgebrauch sind die Grenzen zwischen den verschiedenen Bereichen fließend. So wird ein Berater zum Life-Coach oder die Gespräche mit einem Berater laufen unter „Ich habe eine Therapie gemacht“. Hinzu kommt, dass der Begriff Therapeut nicht geschützt ist und somit nach persönlicher Einschätzung verwendet werden kann.

Im Gegensatz dazu ist der Begriff Psychotherapeut/ Psychotherapeutin gesetzlich geschützt und im Psychotherapeutengesetz geregelt. Danach darf die Bezeichnung in Deutschland nur von Psychologischen Psychotherapeuten, Fachärzten für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Ärzten mit Psychotherapie-Weiterbildung geführt werden. Hierbei ist wiederum zu beachten, dass nur Ärzte psychische Erkrankungen medikamentös behandeln dürfen.

Darüber hinaus ist im Heilpraktikergesetz geregelt, dass nach Erwerb der staatlichen Heilerlaubnis  Psychotherapie von Heilpraktikern ausgeübt werden darf. Für Beratung und  Coaching gibt es derartige Regelungen nicht, umso mehr ist also die nachweisbare Qualifikation des Beraters von Bedeutung.

Es gibt verschiedene Ansätze, den Unterschied zwischen Therapie, Beratung und Coaching zu definieren, wobei oft davon gesprochen wird, dass in den jeweiligen Bereichen die „Durchdringung der psychologischen Ebenen“ die Differenz ausmache.

Ebenso findet sich der Hinweis, dass Beratung und Therapie eher den Menschen in seinem privaten und Coaching eher in seinem beruflichen Umfeld anspreche. Da nach individualpsychologischem Grundverständnis jeder ein untrennbarer Teil seiner Umgebung ist und die Lebensbereiche Gemeinschaft, Beruf und Partnerschaft ständig ineinander wirken, ist eine klare Abgrenzung nicht wirklich praktikabel. Sie kann jedoch helfen, Orientierung bei der Wahl des geeigneten Beraters zu bieten.
Aufgabe des Beraters
Autor: Michael Hoberg - Cartoon:   Rupert Klein

Der Berater unterstützt seinen Kunden bei der Erschließung ihrer Ressourcen



In der Regel erwartet der  Klient vom Berater/Coach die Lösung eines Problems, sei dies nun beruflicher, privater, aktueller oder langfristiger Natur. Dabei steht die aktuelle Fragestellung oder der aktuelle Anlass im Fokus der Beratung. Längerfristige Begleitung ist zum Beispiel im Rahmen eines Opportunity Coachings denkbar.
Damit ist der Berater professioneller Begleiter sozialer Veränderungsprozesse. Er erarbeitet gemeinsam mit dem Klienten individuelle Lösungsmöglichkeiten, über deren Umsetzung dieser nach eigenem freien Willen entscheidet.  

  • Der Berater hilft dem Klienten,
  • die Situation zu verstehen, in der er sich befindet,
  • den Anteil zu erkennen, den der Kunde daran hat,
  • die Finalitäten zu sehen, die dem zu Grunde liegen,
  • die Chancen zu erkennen, die Verhaltensänderungen mit sich bringen
  • den Mut aufzubringen, anders zu handeln
  • geändertes Verhalten zu verinnerlichen   

Der Beratungsauftrag wird klar definiert und vereinbart.  Berater und Klient gehen partnerschaftlich auf Basis einer tragfähigen, vertrauensvollen Arbeitsbeziehung miteinander um. Der Berater enthält sich jeglicher manipulativer Techniken. Er erklärt seinem Klienten, auf welcher Basis er arbeitet, welche Interventionen und Methoden er verwendet und welches der zeitliche und finanzielle Aufwand sein wird.
Neben  Einzelberatung kann auch Beratung  mit Paaren oder Eltern mit Kindern durchgeführt werden. Besteht der Wunsch nach permanenter persönlicher Reflexion zum Zwecke der Weiterentwicklung, kann dies z.B. im Rahmen einer  Coachinggruppe erfolgen.
Bewegungsgesetz/ Lebensstil
(03/2006)
Autoren: Hans-Peter Kasüschke/ Michael Hoberg
Cartoon: Sabine Gruchmann

Der Mensch folgt beharrlich seinem individuellen Bewegungsgesetz



Im Rahmen seiner Entwicklung bildet sich der Mensch im Kindesalter bis etwa zum sechsten Lebensjahr eine Meinung über sich selbst, seine Mitmenschen und die Welt um ihn herum.
In seinem Bemühen von der gefühlten Minderwertigkeit hin zu seiner Fiktion von Vollkommenheit zu gelangen, wendet er die ihm geeignet erscheinenden Strategien, Methoden und Mittel an. Er folgt dabei seinem individuellen Bewegungsgesetz, seinem persönlichen Lebensstil.
Laut Adler entwickelt jeder Mensch seinen Lebensstil schöpferisch selbst, so dass es so viele Lebensstile wie Menschen gibt. Dabei entscheidet der Mensch nicht aufgrund objektiver Tatsachen, sondern aufgrund seiner Wahrnehmung, d.h. aufgrund seiner Beurteilung dessen, was er mit allen Sinnen erfasst und den Ableitungen, die er daraus trifft.
Dieser Lebensstil ist dem einzelnen als solcher nicht bewusst (kann aber im Rahmen eines beraterischen oder therapeutischen Prozesses bewusst gemacht werden),  obwohl er sich in all seinen Gedanken, Handlungen und Gefühlen äußert. Lebensstil oder individuelles Bewegungsgesetz bleiben dem Menschen ein Leben lang grundsätzlich erhalten. Ähnlich wie der Mensch „nicht aus seiner Haut kann“, ist es ihm auch  nicht möglich, seinen Lebensstil abzulegen.
Dem „persönlichen Lebensstil" – der von Adler auch als „private Logik“ bezeichnet wird -   steht der „öffentlichen Lebensstils“ gegenüber. Hier verwendet Adler das Synonym „common sense". Dieses ist die Gesamtheit aller Konventionen, Sitten, Gebräuche, Regeln etc. einer Gesellschaft.
Coachingformen
(01/2006)
Autoren:  Michael Hoberg/ Ulrike Blum-Hoberg
Cartoon: Rupert Klein (01/2006)

Die Art der Beratung sollte dem Problem und dem Klienten angemessen sein



Ein fundiertes, professionelles Coaching basiert wie auch Beratung und Therapie auf einem wissenschaftlich begründeten psychologischen Hintergrund z.B. Tiefenpsychologie, humanistische Psychologien, etc. In seiner Arbeit kann der Coach unabhängig vom wissenschaftlichen Hintergrund konfrontativ, unterstützend (supportiv), defizitorientiert oder ressourcenorientiert vorgehen, wobei er entsprechende Interventionen anwenden wird.
In der Regel ist Coaching fokal angelegt, d.h. auf eine spezielle Fragestellung des Klienten ausgerichtet. Ist diese Fragestellung, also der Coaching-Auftrag, abgearbeitet, ist das Coaching beendet. Darüber hinaus ist auch Prozesscoaching üblich, bei dem ein Klient über einen längeren Zeitraum bei der Bewältigung seines Lebens, seiner beruflichen Laufbahn oder in einer Krisensituation durch einen Coach begleitet wird. Prozesscoaching wird auch im Rahmen von Firmenmaßnahmen angewendet bei der Begleitung einzelner Mitarbeiter, ganzer Abteilungen oder auch ganzer Firmen bei Veränderungsprozessen.
Vom Setting her kennen wir im Coaching unterschiedliche Formen: das Einzelcoaching in der vier-Augen-Situation zwischen Klient und Coach, das Paar-Coaching, bei dem der Coach mit beiden Beteiligten gemeinschaftlich deren gemeinsame Fragestellung bearbeitet, das Guppencoaching, in dem mehrere Klienten zusammen mit dem Coach bei regelmäßigen Gruppentreffen anstehende Fragestellungen und Probleme der Gruppenmitglieder bearbeiten, wobei auch die Gruppenteilnehmer Gelegenheit haben, sich aktiv bei Themen anderer zu beteiligen.
Neuerdings wird der Begriff „Coaching“ auf mehr und mehr Bereiche des täglichen Lebens ausgeweitet, so dass man neben dem Jugend- und Sportcoach (J+S Coach) auch den Gesundheitscoach, den Private Coach, den Coach für Life-balance etc. findet.
Ersterinnerungen
(01/2006)
Autoren:  Michael Hoberg/ Ulrike   Blum-Hoberg - Cartoon: Rupert Klein




Alfred Adler spricht von der Ersterinnerung als „Kristallisation der Lebenseinstellung“. Da es hier um den Zeitraum der Lebensstilbildung geht, sind sie ein wichtiges Element der Lebensstilanalyse. In der Beratung werden üblicherweise Ersterinnerungen bis zum fünften, seltener bis zum zehnten Lebensjahr  herangezogen. Die Ersterinnerungen können realen oder fiktiven Inhalts sein – also eine Erinnerung an z.B. ein Ereignis in der Familie oder eine Erinnerung, dass der Klient sich als starker Ritter gesehen hat.
Nach Dreikurs ist darauf zu achten, dass es sich bei den geschilderten Erinnerungen um eine klar beschreibbare, einmalige Situation handelt, also nicht um die Erinnerung z.B. an den jährlichen Sommerurlaub, sondern um die Erinnerung an ein einzelnes Ereignis während eines solchen Aufenthaltes. Wichtig ist neben dem reinen Inhalt der Erinnerung auch die dazugehörige Gefühlslage. Um eine Beeinflussung durch den Berater zu vermeiden, können Ersterinnerungen auch außerhalb der Beratungszeit vom Klienten aufgeschrieben werden.
Im Rahmen  der Lebensstilanalyse wird aus mehreren Erinnerungen (Adler geht von ca. fünf aus) eine Systematik erstellt aus:

  • Selbstbild,
  • Bild von anderen,
  • Weltbild,
  • Gefühlslage,
  • Ziele und Methoden zur Zielerreichung

Ermutigung
(09/2007)
Autorin: Ulrike Blum-Hoberg - Cartoon Sabine Gruchmann-Schneider


Der Berater ist professioneller Begleiter seelischer Veränderungsprozesse, bei denen der Klient bekanntes Terrain verlässt und neues betritt.
Diese Veränderung verlangt vom Klienten Mut, den aufzubringen ihm je nach seinem lebensstiltypischen Grad der Entmutigung mehr oder weniger schwer fallen wird. Der Berater unterstützt den Klienten durch wohlwollendes, nicht wertendes Verstehen in seiner jeweiligen Situation. Dieses Verstehen bezieht sich auf die private Logik des Klienten und seine Handlungen. Ohne moralisch zu werten, wird die Person akzeptiert und von ihren Taten getrennt betrachtet.
Echte Ermutigung hat also nichts mit  Überredung oder Aufforderung zu vernünftigerem Handeln - gemäß der öffentlichen Logik - zu tun, „weil der Klient das aufgrund seiner Fähigkeiten doch eigentlich können müßte". Auch manipulatives Antreiben unter Verwendung von Motivationstechniken ist keine Ermutigung im individualpsychologischen Sinne, da dies der jeweiligen individuellen Klientensituation nicht gerecht wird. Ermutigung  setzt  vielmehr zunächst das Verständnis für die Not des Klienten voraus, der erst einmal einen sichereren Stand   braucht, von dem aus er neue Schritte gehen kann.
Die Ermutigung des Beraters besteht darin, den Klienten bei der Wahl der Größe und Häufigkeit der Schritte ins Neuland zu unterstützen (Prinzip der kleinen Schritte). Dabei ist der Berater Begleiter des aktiv handelnden Klienten, der sich das Ergebnis seiner Handlung als selbst erarbeiteten Erfolg zuschreiben kann.

Fernziel
(06/2006)
Autoren:  Michael Hoberg/ Hans-Peter   Kasüschke
Cartoon: Rupert Klein



Aus dem allen Menschen gemeinsamen Streben „einen Zustand vollkommener Gesichertheit und Überlegenheit zu erreichen“, entwickelt  jeder Einzelne sein individuelles Fernziel. Fernziele werden umschrieben als zentrale Leitideen eines Menschen oder Grundüberzeugungen, man spricht auch von einem Ideal. Dieses Fernziel hat jeder einzelne für  sein Leben bereits als Kind aus seiner jeweiligen Lebenssituation heraus definiert, es ist ihm in der Regel jedoch nicht bewusst.
Alles menschliche Handeln ist auf dieses fiktive Ziel gerichtet, welches jedoch nicht erreicht werden kann. Der Einzelne wird sein Fernziel um so utopischer/extremer ansetzen, je mehr er sich der Gemeinschaft nicht zugehörig fühlt. Dadurch wird die Erreichbarkeit des Fernziels aber wiederum erschwert, was zum verstärkten Einsatz von Nahzielen mit immer störender Ausprägung  führt.
Bei dem der privaten Logik entspringenden Fernziel (sei es das Streben nach mehr Geld, Macht, Schönheit, Wissen, Erniedrigung anderer oder kriminellen Handlungen) handelt der Mensch zielgerichtet auf Grund seiner eigenen Vorstellungen und dabei gegebenenfalls  einzelnen Mitmenschen oder der Gemeinschaft schadend. Dies nimmt der Mensch jedoch in Kauf, da er hofft, durch Erreichen dieses Fernziels sein Minderwertigkeitsgefühl zu überwinden.
Finalität
(06/2006)
Autoren: Michael Hoberg/ Hans-Peter Kasüschke
Cartoon: Sabine Gruchmanninalität


Die Individualpsychologie erklärt menschliches Erleben und Handeln aus den Zielen bzw.Zwecksetzungen des Einzelnen, richtet somit also den Blick in die Zukunft. Sie unterscheidet sich dadurch wesentlich von anderen psychologischen Schulen, die den Menschen z.B. stärker triebbestimmt, und seine Handlungen aus der Vergangenheitssicht erklärt (Psychoanalyse) oder auf Reize reagierend (Verhaltenstheorie) ansehen.
Ein Wegbereiter der individualpsychologischen Erklärungsmodells menschlichen Handelns war Hans Vaihinger, der mit seinem Buch „Philosophie des Als Ob“ (1911) die Grundlage  schuf, auf der Alfred Adler seine Theorie aufbaute. Adler benutzte in den Anfängen den Begriff teleoloisch (vom griechischen telos = Zweck). Auf Grund der Ähnlichkeit zu anderer religiös gebrauchten Begriffen, ist es heute üblich, den vom lateinischen „finis“, d.h. Ziel oder Zweck abgeleiteten Begriff Finalität zu benutzen.
Nun ist dem einzelnen nicht notwendigerweise seine Finalität bewusst - sie ist aber an seinen Handlungen oder Nicht-Handlungen erkennbar. Die Absichten  werden deutlich, wenn menschliches Handeln und Erleben hinterfragt wird mit  „Wozu tut jemand etwas?“ anstatt mit  „Warum tut jemand etwas?“ Im Alltagsleben begegnen wir dieser Tatsache z.B. in Kriminalfilmen. Die Abklärung des Motivs – in der Formulierung „Cui bono“, wem nützt es? –  steht immer im Mittelpunkt.
Die zentrale Frage der Individualpsychologie ist demnach : „Welche Absicht verfolgt der einzelne mit seinem Tun?“ Adler sagt: „Wir können ohne Zielsetzung nicht denken, nicht fühlen, nicht handeln.“ Hierbei ist wichtig, sich vor Augen zu führen, was das tatsächliche – und nicht das vorgeblich gewollte - Ergebnis ist.

Gemeinschaftsgefühl
(06/2006)
Autoren: Michael Hoberg/ Hans-Peter   Kasüschke
Cartoon: Rupert Klein

Adler geht davon aus, dass jeder Mensch auf das Zusammenleben mit anderen angewiesen ist, sich einer größeren Einheit zugehörig fühlt und zur Gemeinschaft beiträgt. Über die bloße Zusammengehörigkeit (zu Familie, Stamm, Volk, Menschheit bis hin zum Kosmos) hinaus, ist eine aktive Einfühlung in die Mitmenschen erforderlich in der Umsetzung der drei sozialen Lebensaufgaben.
Ausgehend davon, dass die Erfüllung der Lebensaufgaben den Sinn des Lebens ausmachen, und dieses nur in der Gemeinschaft möglich ist, umfasst das Gemeinschaftsgefühl  also das Gefühl der Zusammengehörigkeit und die Kooperation,  d.h. aktives Mitwirken in der Gemeinschaft und zwar zum allgemeinen  Nutzen.
Nützlich in diesem Sinne heißt zum Wohle der Gemeinschaft, oder gemeinschaftsfördernd. Im Gegensatz dazu steht das Verhalten, welches zum Nachteil der Gemeinschaft, also gemeinschaftsschädlich ist. Ein gering ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl wird gemeinschaftsschädliches Verhalten nach sich ziehen.
Das Gemeinschaftsgefühl besteht bei jedem als Disposition, als grundlegende Einstellung dem Leben gegenüber, die schon bei der Geburt vorliegt, aber vom einzelnen unterschiedlich stark entwickelt wird. Auch hier geht Adler davon aus, dass der Mensch aktiv werden soll, also nicht Anpassung an bestehende Realitäten lebt, sondern versucht, eine bessere zu schaffen.
Geschwisterkonstellation
(10/2006)
Autoren:  Michael Hoberg/ Hans-Peter   Kasüschke
Cartoon: Rupert Klein




Adler stellt die große Bedeutung der Geschwisterfolge, also der Stellung innerhalb der Geschwisterreihe auf die Entwicklung des Kindes heraus. Die Geschwisterkonstellation beginnt mit dem ersten Kind, wobei auch totgeborene oder verstorbene Kinder eine Auswirkung haben. Es spielen sowohl die biologische als auch die funktionale Geburtenfolge eine Rolle, ebenso wie das Geschlecht und der zeitliche Abstand zwischen den Geburten.
Ein Einzelkind, auf welches sich die gesamte Aufmerksamkeit in der Familie richtet, wird die Welt anders erleben und demzufolge einen anderen Lebensstil entwickeln, als ein Kind, welches als erstgeborenes, ältestes in einem frühen Stadium seiner Entwicklung mit einem zweitgeborenen Kind die Zuwendung der Eltern teilen muss.
Durch großen zeitlichen Abstand zwischen den Geburten können neue Geschwisterreihen eröffnet werden. So kann also ein Kind, welches mehrere ältere Geschwister hat, durchaus vom Verhalten her funktional wieder „ältestes Kind“ sein, wenn der Altersunterschied zum Vorgeborenen groß genug ist und weitere Geschwister folgen. Darüber hinaus ist heutzutage verstärkt auch zu berücksichtigen, dass bei so genannten „Patchwork“-Familien sich die Geschwisterbezüge ändern und bei Wochenend-Beziehungen einer permanenten Veränderung unterliegen.
Da bestimmte Verhaltensmuster bei Ältesten, Jüngsten, Einzelkindern etc. typisch sind, (Verantwortungsbewusstsein, Appellhaftigkeit, Extrovertiertheit), lässt sich bei entsprechendem Hintergrundwissen durchaus die Geschwisterkonstellation einer Person erkennen bzw. im täglichen Leben berücksichtigen.
Innerer Fessel
(08/2007)
Autorin:  Ulrike Blum
Cartoon: Rupert Klein




Alfred Adler stellte fest, dass dem Menschen sein Lebensstil oder sein individuelles Bewegungsgesetz ein Leben lang grundsätzlich erhalten bleiben (er kann nicht aus seiner Haut). Auch wenn „objektiv“ - oder besser gesagt nach der öffentlichen Logik – ein Mensch in der Lage sein müsste, sich anders zu verhalten, weil er doch alle Vorraussetzungen dafür hätte, ist ihm aufgrund seiner subjektiven Bewertungen, Einschätzungen, seines Selbstbildes und seiner Finalität eine Verhaltensänderung nicht ohne weiteres möglich.
Rudolf Dreikurs hat in diesem Zusammenhand den Begriff der Inneren Fessel geprägt. Diese Inneren Fesseln sind sozusagen die Gesamtheit aller Beschränkungen, die der Einzelne sich auferlegt bei seinem Bemühen, sein Fernziel zu erreichen.
Diese inneren Fesseln können nicht einfach abgelegt werden. Selbstzweifel und ständige Angst nicht zu genügen, lassen den Klienten die inneren Fesseln nicht abwerfen und seinen Aktionsradius erweitern. Er nimmt hin, dass seine Möglichkeiten eingeschränkt sind und sucht Entschuldigungen dafür auch in den äußeren Gegebenheiten. Denn die Erkenntnis über die inneren Fesseln bleibt dem Klienten in der Regel verborgen.
Hat  er diesen Wirkzusammenhang jedoch erkannt, so erhält er  die Möglichkeit, diese Fesseln zu lockern und das ihm innewohnende Potenzial besser auszuschöpfen.
Klimagestaltung
(4/2007)
Autor:  Michael Hoberg
Cartoon: Rupert Klein



Der individualpsychologische Berater schafft ein Gesprächsklima, in dem der Klient sich als gleichwertig akzeptiert fühlt. Dadurch erfolgt Entlastung bei dem Klienten, Angst und Widerstand werden reduziert. In der Literatur findet sich die Aussage, die Beziehung zwischen Berater und Klient solle „sachlich“ sein. Dies kann man nur bejahen, wenn man Künkel’s Definition zu Grunde legt:  „Die sachliche Verhaltensweise einem Menschen gegenüber ist die Menschlichkeit“. Die wohlwollend verstehende innere Einstellung gegenüber dem Klienten ist in der Beratung spürbar, da sie zwangsläufig dazu führt, dass der Berater   ein Gesprächsumfeld und eine Gesprächsatmosphäre schafft, die es dem Klienten ermöglicht, seinen inneren Druck zu reduzieren.
In diesem Zusammenhang ist die angemessene Gesprächsvorbereitung des Beraters, inhaltlich und gefühlsmäßig, an erster Stelle zu nennen. Der Berater gestaltet den Ersteindruck, der während des gesamten Gespräches – und ggf. darüber hinaus –  wirksam bleibt. Einfühlungsbereitschaft und wohlwollende Gesinnung gegenüber dem Klienten bestimmen das Klima ebenso wie Echtheit und Erkennbarkeit des Beraters. Strukturiertes Vorgehen des Beraters gibt Halt, selbstöffnendes, einfühlendes Verstehen geben emotionale Sicherheit. Ein ermutigender Gesprächsabschluss schafft die Basis für einen positiven Einstieg in Folgegespräche.
Die Gestaltung des Klimas ist ein kontinuierlicher Prozess, da jeder Eindruck mit einer  Bewertung verbunden ist, die sich wiederum  in einer Gefühlslage äußert.
Kontinuierliche Reflexion
(11/2008)
Autoren:  Ulrike Blum-Hoberg/ Michael Hoberg -
Cartoon: Sabine   Gruchmann-Schneider



Ein Berater ist auch nur ein Mensch und als solcher fehlbar. Er wird sich nach bestem Wissen und Gewissen bemühen, seinen Klienten optimal zu beraten  Seinen Lebensstil und seine Nahziele kann der Berater dabei jedoch nicht ausschließen. Somit ist im Interesse seines Klienten eine ständige seelische Hygiene vonnöten. Das Verhalten des Beraters wirkt unmittelbar auf das Verhalten des Klienten. Daher ist für eine hohe Beratungsqualität ein großes Maß an sozialer Kom-petenz einer reflektierten Persönlichkeit erforderlich.

Das eigene Verhalten und die eigene Meinung werden immer mit der eigenen privaten Logik „legitimiert“, dies gilt auch für den Berater, der dann u.U. damit dem Klienten nicht gerecht wird. Damit ist eine sehr wichtige Haltung des Beraters, das „nicht wertende einfühlende Verstehen“ nicht mehr gewährleistet. Der Berater ist mit eigenen Meinungen und Befindlichkeiten beschäftigt und stülpt diese u.U. seinem Klienten über.
Kontinuierliche Reflexion eigenen Verhaltens, eigener Lebensstiltendenzen sind für den Berater selbstverständliche Pflicht, damit er immer freier wird von eigenen „Baustellen“ und sich unvoreingenommen auf seinen Klienten einlassen kann, ohne diesen zu manipulieren.
Diese Verpflichtung zur kontinuierlichen Reflexion durch andere, möglichst kompetente Reflexionspartner, ist unabhängig vom eigenen Kompetenzgrad, da jeder immer wieder an die Grenze seines Lebensstils und seiner privaten Logik stößt. Auch für Führungskräfte in der Wirtschaft, für Lehrer, Erzieher , Ärzte usw., also für alle Menschen, die mit Menschen verantwortlich arbeiten, sollte kontinuierliche Reflexion selbstverständlich sein.
Lebensaufgaben

(5/2006)
Autoren:  Michael Hoberg/ Hans-Peter Kasüschke
Cartoon: Rupert Klein



Adler geht davon aus, dass das Leben eine Aufgabe ist: „das Leben aber ist kein Sein, sondern ein Sollen“. Vor diesem Hintergrund spricht er von den drei Lebensaufgaben Gemeinschaft, Liebe und Beruf - man könnte auch sagen aktive Verbundenheit mit anderen Menschen, Partnerschaft oder Ehe, Arbeit oder Tätigkeit - die jeder Mensch zu erfüllen hat.
Die ausgewogene Umsetzung dieser Aufgaben ist der Schlüssel für die seelische Gesundheit des einzelnen. Eine   Kompensation – oder Überkompensation – in einem Bereich geht unweigerlich zu Lasten der anderen Bereiche. Und da jeder Mensch ähnlich einem Mobile stets   mit den anderen Menschen untrennbar verbunden ist, hat jede seiner   Handlungen nicht nur Auswirkungen auf ihn selbst, sondern auch auf seine Mitmenschen. Wer nur für den Beruf lebt oder nur für ein Hobby, wird durch die Vernachlässigung der anderen Aufgaben nur einen unzureichenden Beitrag zur Gemeinschaft leisten.
Adler zeigt im Zusammenhang mit den Lebensaufgaben die gesellschaftspolitischen Aspekte der Individualpsychologie auf. Er führt aus, dass Arbeit zum Nutzen der Gemeinschaft erforderlich ist, wobei dem   einzelnen ein gerechter Lohn zusteht und Ausbeutung das Wohl der Menschen nicht fördern kann. Liebe definiert er als Aufgabe für zwei Personen (unterschiedlichen Geschlechts) zur „Erhaltung des Menschengeschlechts“.
In der ausgewogenen Umsetzung der Lebensaufgaben sieht Adler die Chance, sich ohne Furcht auf Alter und Tod vorzubereiten.
Lebensstil
(03/2006)
Autoren: Hans-Peter Kasüschke/ Michael Hoberg
Cartoon: Sabine Gruchmann




Im Rahmen seiner Entwicklung bildet sich der Mensch im Kindesalter bis etwa zum sechsten Lebensjahr eine Meinung über sich selbst, seine Mitmenschen und die Welt um ihn herum.
In seinem Bemühen von der gefühlten Minderwertigkeit hin zu seiner Fiktion von Vollkommenheit zu gelangen, wendet er die ihm geeignet erscheinenden Strategien, Methoden und Mittel an. Er folgt dabei seinem individuellen Bewegungsgesetz, seinem persönlichen Lebensstil.
Laut Adler entwickelt jeder Mensch seinen Lebensstil schöpferisch selbst, so dass es so viele Lebensstile wie   Menschen gibt. Dabei entscheidet der Mensch nicht aufgrund objektiver Tatsachen, sondern aufgrund seiner Wahrnehmung, d.h. aufgrund seiner Beurteilung dessen, was er mit allen Sinnen erfasst und den Ableitungen, die er daraus trifft.
Dieser Lebensstil ist dem einzelnen als solcher nicht bewusst   (kann aber im Rahmen eines beraterischen oder therapeutischen   Prozesses bewusst gemacht werden), obwohl er sich in all seinen Gedanken, Handlungen und Gefühlen äußert. Lebensstil oder individuelles Bewegungsgesetz bleiben dem Menschen ein Leben lang grundsätzlich erhalten. Ähnlich wie der Mensch „nicht aus seiner Haut kann“, ist es ihm auch nicht möglich, seinen Lebensstil abzulegen.
Dem „persönlichen Lebensstil“ – der von Adler auch als „private Logik“ bezeichnet wird - steht der „öffentlichen Lebensstils“ gegenüber. Hier verwendet Adler das Synonym „common sense“. Dieses ist die Gesamtheit aller Konventionen, Sitten, Gebräuche, Regeln etc. einer Gesellschaft.
Männlicher Protest
(11/2006)
Autorin: Dagmar Kasuschke
Cartoon: Martin Mohr


Der Begriff „Männlicher   Protest“ kann nur aus dem gesellschaftlichen Kontext heraus, in dem Adler lebte, verstanden werden. Die Rolle der Frau war zu Adler’s Lebzeiten von einem bürgerlichen Gesellschaftsbild geprägt, dass die Frau auf Haushalt und Kinder verwies und den Mann als Oberhaupt des ganzen Hauses und als Repräsentant im öffentlichen Leben auswies. Die Kindererziehung war geschlechtsspezifisch, d.h. Mädchen wurden auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereitet, während Jungen zum ‚ganzen’ Mann erzogen werden sollten. Während Jungen sich an einem Idealbild von Mann orientieren mussten und ihre gefühlte ‚männliche’ Minderwertigkeit und Versagensängste kompensieren mussten, erlebten Mädchen die Rolle der Frau gegenüber der  Männerrolle als gesellschaftlich minderwertig. Dies führt nach Adler dazu, dass Mädchen zu dem Schluss gelangen, so genannte weibliche Werte seien nicht geeignet, die gefühlte Minderwertigkeit zu kompensieren,  sondern das Mädchen und später dann die Frau müssten männliche Verhaltensmuster leben, um die angestrebte Überlegenheit zu erreichen. Adler verwendet hierfür den Begriff „Männlicher Protest“. Die Individualpsychologie weist mit der Beschreibung eines männlichen Protestes auf gesellschaftliche Phänomene einer wertorientierten, geschlechtsspezifischen Rollenzuweisung hin. Würden Frauen und Männer Gleichwertigkeit vorleben und ihre Rollenerwartungen an Mädchen und Jungen daran orientieren, wäre durch die daraus resultierende Veränderung unserer Gesellschaft dieses Phänomen nach einiger Zeit nicht mehr existent.
Da bestimmte Verhaltensmuster bei Ältesten, Jüngsten, Einzelkindern etc. typisch sind,   (Verantwortungsbewusstsein, Appellhaftigkeit, Extrovertiertheit), lässt sich bei entsprechendem   Hintergrundwissen durchaus die Geschwisterkonstellation einer   Person erkennen bzw. im täglichen Leben berücksichtigen.
Individualpsychologisches Menschenbild
(06/2006)
Autoren:  Michael Hoberg/ Hans-Peter   Kasüschke
Cartoon: Rupert Klein


Das Bild des Menschen in der Individualpsychologie ist beeinflusst von den Grundsätzen der humanistischen und phänomenologischen Philosophie. Der Mensch in all seinen Bezügen zur Umgebung steht bei der individualpsychologischen Betrachtung im Mittelpunkt.
Er ist unteilbar mit seiner Umgebung verbunden und nur im Zusammenhang mit seiner familiären und gesellschaftlichen Sozialisation in seinen jeweiligen Stärken und Schwächen zu verstehen. Dies macht alle Menschen einzigartig und gleichwertig. Die Individualpsychologie sieht den Menschen als aktiv handelndes – nicht triebbestimmtes – Wesen. Er trifft Entscheidungen, er ist schöpferisch tätig und er ist für seine Handlungen selbstverantwortlich. Sein Handeln ist bestimmt durch das Bemühen, zielgerichtet aus einem individuell gefühlten Zustand der Minderwertigkeit hin zu einem Zustand von Vollkommenheit zu gelangen.
Alfred Adler blieb bei der Entwicklung seiner Theorie nicht beim Umgang mit psychisch gestörten Menschen stehen, sondern er bezog den „normalen“ Menschen in seine Überlegungen mit ein. Gerade darin, auch im Umgang mit nicht psychisch gestörten Menschen anwendbar zu sein – also auf Menschen die in alltäglichen Situationen handeln, liegt die Stärke der Individualpsychologie. Diese positive und dem Menschen wohlgesonnene Sicht macht die Umsetzung individualpsychologischer Grundsätze in der Bewältigung von Partnerschafts- oder Berufskonflikten sowie auch in der Kindererziehung so wertvoll.  
Minderwertigkeitsgefühl
(6/2006)
Autoren:  Michael Hoberg/ Hans-Peter Kasüschke
Cartoon: Rupert Klein


Nach Alfred Adler entwickelt sich in den ersten Lebensjahren das Gefühl, dem Leben geistig und körperlich nur schwer gewachsen zu sein. Nicht nur objektive Gegebenheiten, wie die Organminderwertigkeit oder als biologische Frühgeburt (Portmann) von „Riesen“ (Dreikurs) die alles können umgeben zu sein, sondern auch subjektiv erfahrene Minderwertigkeit führen zu einem Gefühl den Anderen gegenüber nicht Gleichwertig zu sein.
Adler führt aus, dass sich ein Minderwertigkeitsgefühl entwickelt, welches mit der Angst einhergeht, im Leben nicht zurecht zu kommen. Dieses Gefühl ist in unterschiedlicher Ausprägung bei allen Menschen vorhanden und  bestimmt ihr Denken und Handeln. Es wirkt als treibende Kraft bei dem Versuch des Menschen, eine gesicherte Position in der menschlichen Gemeinschaft einzunehmen. Das Handeln des Menschen sieht Adler als  Kompensation, als Streben von einer „Minussituation zu einer Plussituation“. Je stärker das Minderwertigkeitsgefühl eines Menschen ausgeprägt ist, desto stärker wird die Ausprägung der Kompensation sein, bis hin zur Überkompensation bei besonders starker Ausprägung der Angst. Dabei geht es nicht um ein tatsächliche, „objektive Minderwertigkeit“ oder Unterlegenheit, sondern um die subjektive Einschätzung des Einzelnen und das sich daraus festsetzende Gefühl, nicht gleichwertig und nicht zugehörig zu sein. Selbst   wenn eine Situation, in der das Kind sich als minderwertig empfunden hat, im späteren Leben von dem Erwachsenen nach allgemeiner Ansicht leicht zu meistern wäre, so kann das in der Kindheit entwickelte kindliche Gefühl immer noch wirksam sein.
Nahziele
(06/2006)
Autoren:  Michael Hoberg/ Hans-Peter Kasüschke
Cartoon: Rupert Klein


Nahziele sind kurzfristig erreichbare, aber in ihrer entlastenden Wirkung zeitlich begrenzt wirksame Ziele, die der Mensch anstrebt, um als Mitglied der Gemeinschaft vor sich und seinem Mitmenschen bestehen zu können. Nach Dreikurs sind diese (störenden/destruktiven) Nahziele:

  • Entschuldigung für eigene Mängel
  • Erregen von Aufmerksamkeit
  • Gewinnen von Überlegenheit
  • Vergeltung (Rache)

Als fünftes Nahziel wird in   der Literatur aufgeführt: Rückzug, Demonstration völliger Unzulänglichkeit. Dreikurs ging davon aus, dass das Kind das erstgenannte Nahziel noch nicht einsetzt, und das ein   Erwachsener mit dem letztgenannten Nahziel erst dann arbeitet, wenn bereits eine psychische Störung vorliegt. Bezogen auf das   Kind ist aber heutzutage zu beobachten, dass schon 2-3 jährige Kinder auch das Nahziel „Entschuldigung für eigene Mängel" einsetzen
Der Einsatz dieser Nahziele wird in der aufgeführten Reihenfolge von einem immer gestörteren Gemeinschaftsgefühl bestimmt, oder anders ausgedrückt von einer immer stärkeren Ausprägung der Angst, nicht Teil der Gemeinschaft zu sein. Wahl und Ausprägung der Nahziele hängen vom Grad der Ent-/Ermutigung und dem Lebensstil des einzelnen ab. Desweiteren stehen sie im Zusammenhang mit dem Fernziel.
Paradoxe Intervention
(07/2007)
Autorin:  Ulrike Blum
Cartoon: Sabine Gruchmann-Schneider



Der Begriff der Paradoxen Intention geht im wesentlichen auf Viktor Frankl zurück, der diese   Interventionstechnik insbesondere zur Behandlung von Ängsten oder Zwangsvorstellungen einsetzte. Statt sich seinem neurotischen/störenden Verhalten ausgeliefert zu fühlen, soll der Klient erfahren, dass er es bewußt steuern kann (und somit eben auch ändern).    
Paradoxe Intentionen können sein:

      • Nachahmen störenden Verhaltens
      • Bestärken in  privater Logik, die das störende Verhalten bewirkt
      • Störendes Verhalten umdefinieren/ umdeuten
      • „Symptomverschreibung"

Dadurch wird eine neue Sicht auf das Verhalten möglich und ein Wirkkreislauf kann unterbrochen werden Sollte sich zum Beispiel ein Kind ständig dagegen wehren, sein Zimmer aufzuräumen, weil es gelernt hat,   durch seinen Widerstand Kontrolle über seine Eltern auszuüben, so würde ein Aufräumverbot und damit einhergehende Gelassenheit der Eltern dem Nichtaufräumen den Sinn nehmen.
Alfred Adler hatte seinen Patienten mit dem ihm eigenen Humor geraten, sich „ihrer Symptome zu erfreuen“. Wer in der Lage ist, sein Verhalten zu ironisieren, kann es auch versachlichen und sich davon distanzieren.
Die Anwendung der  paradoxen Intention als Interventionstechnik setzt voraus, dass Berater und Klient eine vertrauensvolle Gesprächsbasis haben. Schließlich darf der Klient sich nicht vorgeführt oder auf den Arm genommen fühlen.
Selbstbild/Fremdbild
(12/2006)
Autoren: Michael Hoberg/ Hans-Peter Kasüschke
Cartoon: Sabine Gruchmann-Schneider




Selbstbild und Fremdbild sind als solche keine originären Begriffe der Individualpsychologie, sondern werden erst bei  ihrer Weiterentwicklung durch z.B. Rogers und Watzlawick eingeführt. Selbstbild bezeichnet das Bild, das ein Mensch von sich selber hat, von seinen Eigenschaften, seinen Fähigkeiten, seinen Fertigkeiten, seinem Wert, wobei es auch das Wunschbild oder Idealbild von sich selbst umfasst, also „wie und was bin ich, wie und was würde ich gerne sein“.
Fremdbild bezeichnet das Bild, das andere von einem haben, d.h. wie andere Personen einen Menschen einschätzen hinsichtlich seiner physischen und psychischen Äußerungsmerkmale sowie   seinem Ansehen. Dabei entwickelt sich das Fremdbild nicht nur im direkten Bezug zum anderen, sondern kann schon im Vorfeld, durch generelle Vorurteile oder vom „Hören-Sagen“, bestimmt werden.
Da sich der Mensch grundsätzlich sein Bild erhalten möchte, wirkt dieses wie ein Filter seiner Wahrnehmung,   welcher das durchlässt, was den betreffenden darin bestätigt. Der Mensch verhält sich entsprechend seines Selbstbildes und die Umgebung handelt entsprechend ihres Fremdbildes von der betreffenden Person.
Je größer nun die Unterschiede zwischen diesen beiden Bildern sind, um so größer ist die Gefahr, dass sich im Umgang miteinander Konflikte ergeben. Dies wird noch verstärkt, wenn Selbstbild und Wunschbild des betreffenden stark voneinander abweichen. Auch hier ist der Mutpegel von entscheidender Bedeutung bei der Bereitschaft, auch andere Sichten zuzulassen.
Setting
(1/2007)
Autoren: Michael Hoberg/ Ulrike Blum-Hoberg
Cartoon: Rupert Klein


Zur Beratung als professioneller Dienstleistung sind im Umgang mit dem Klienten seitens des individualpsychologischen Beraters verschiedene Regeln zur Sicherung einer gleichwertigen Arbeitsbeziehung und Minimierung von Übertragungsprozessen zu beachten. Diese Werte- und Verfahrenspositionierung lässt sich in äußeres und inneres Setting unterteilen.
Zum äußeren Setting gehören   die angemessene Wahl von Ort, Zeit und Umfeld der Beratung. In der individualpsychologischen Beratung wird z.B. der Klient nicht in eine dem Berater unterlegene Gesprächsposition auf einer Couch platziert, sondern in gleichwertiger Position, auf gleicher Augenhöhe, gegenüber sitzend.
Zum inneren Setting zählt zunächst die Einstellung des Beraters, der seine Handlung auf der von Alfred Adler begründeten, humanistisch fundierten „Individualpsychologie“ und ihren späteren Weiterentwicklungen basiert.
In seiner Arbeit strebt der Berater ein Höchstmaß an Objektivität und Neutralität an.
Adler sagt dazu: “Sich eines Teilerfolgs sichtlich zu freuen oder gar sich zu rühmen, wäre ein großer Fehler“ und prägt den Ausdruck „seine Sache auf Nichts stellen“.
Der Berater geht mit den erhaltenen Informationen absolut vertraulich um. Er beschränkt private Kontakte auf ein verantwortungsbewusstes Mindestmaß, um den nötigen persönlichen Abstand aufrecht zu erhalten. Die Settingregeln des ViBD sind einzusehen unter settingregeln
Tendenziöse Apperzeption
(6/2006)
Autoren: Michael Hoberg/ Hans-Peter   Kasüschke
Cartoon: Rupert Klein


Die tendenziöse Wahrnehmung oder Apperzeption wirkt als Filter des persönlichen Lebensstils. Zur Sicherung   seiner eigenen Existenz nimmt der Einzelne nur das wahr, was seinem einmal gewonnenen Weltbild oder Bewertungsschema entspricht. Diese Haltung wird um so stärker ausgeprägt sein, je ängstlicher bzw. entmutigter der Mensch ist. Er wird zur Sicherung und Verfestigung seiner Position das wahrnehmen, was seine Sicht bestätigt. Dies hat Auswirkungen darauf, was der Einzelne hört, sieht, fühlt…. ja selbst das Gedächtnis ist von diesem persönlichen Filter betroffen.
Die Ableitung hieraus ist, dass es eine objektive Wahrheit nicht gibt. Ein und derselbe Sachverhalt, ein und dieselbe Information wird von Menschen unterschiedlichen Lebensstils auf verschiedene Art und Weise wahrgenommen   und verarbeitet. Somit ist jede „Wahrheit“ eine subjektive Wahrheit, und der Streit über objektive Tatsachen kann nur eine interpersonale Annäherung an objektive Gegebenheiten sein. Jeder kennt das Beispiel des halbleeren oder   halbvollen Glases. Schon ein Kind nimmt einen tröstenden Satz identischen Wortlauts unterschiedlich wahr, je nachdem ob er von der Lieblingsoma oder vom Zahnarzt kommt.
Eine andere Sichtweise oder Position einzunehmen heißt, die bisherige aufzugeben. Dies fällt dem Einzelnen um so schwerer, je stärker er eine bestimmte Ansicht oder Vorstellung mit dem Wert seiner Person verbindet. Bei geringem Mutpegel wird er Veränderungen als bedrohlich empfinden und umso stärker an dem bisherigen festhalten.
Übertragung
(10/2007)
Autoren:  Ulrike Blum
Cartoon: Sabine Gruchmann-Schneider


Der individualpsychologische Berater ist sich bewusst, dass der Klient Erwartungen, Befürchtungen oder Vorstellungen, die eigentlich auf andere Personen (z.B. Eltern, Bezugspersonen) gerichtet sind, auf den Berater übertragen kann. (Der Klient schätzt, fürchtet, bewundert im Berater die Eltern, den Großvater, die Schwester u.a.)
Übertragungsprozesse laufen auch im normalen Alltagsleben ab, oft nicht wissentlich ist mir jemand sympathisch/unsympathisch, weil er mich an jemanden erinnert.
In der individualpsychologischen Beratung wird jedoch die Übertragung –  anders als bei Freud-basierten Richtungen - nicht als therapeutisches Mittel eingesetzt. Insbesondere der sexuelle Bezug wird ausgeschlossen, da dies dem   Distanzgebot widersprechen würde.
Nach individualpsychologischem Grundverständnis ist jeder Mensch einzigartig und handelt selbstbestimmt. Daher werden Übertragungen zwischen Klient und Berater in der Beratung aufgezeigt und in angemessener Form korrigiert. Kennt und erkennt ein Berater diese Prozesse nicht, kann dies den Erfolg der Beratung verhindern. Daher ist eine regelmäßige Supervision des Beraters unabdingbar. Für eine einfühlende Wahrnehmung und wohlwollende Haltung gegenüber dem Klienten ist eine Übertragung nicht notwendig, sie schadet vielmehr einer gleichwertigen Arbeitsbeziehung.
Verband individualpsychologischer Berater Deutschland e.V.
c/o Michael Hoberg
Brandenburger Str. 6
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Fax.: +49 2133 9366878
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